Boulder

Stefan Manuel Neis

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Bloody Moose

Hochsommer in den Rocky Mountains, und es war wieder mal Zeit für eine Wanderung im Rocky Mountain National Park. Seit meinem Umzug war ich da wieder nicht mehr, denn jetzt kommt pro Richtung ja eine Stunde Fahrtzeit dazu... und außerdem, Hochsommer heißt, Millionen von Touristen bevölkern jede Ecke des Parks. Also zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: früh morgens im Park ist es erstens noch recht ruhig und zweitens angenehm kühl!

Der Wecker klingelt unbarmherzig um halb fünf, und um fünf sitze ich abfahrtbereit im Auto. So leer hab ich den Interstate 25 noch nie erlebt. In Rekordzeit (45 Minuten - unter Einhaltung fast aller Geschwindigkeitsbeschränkungen) in Boulder gewesen. Pünktlich zum Sonnenaufgang um 5.58 Uhr! Doof nur, dass der US-36 kurz vor Lyons voll gesperrt ist, Unfall. Also außenrum. Ich überlege erst, über Nederland durch die Berge zu fahren, aber dann doch lieber den Umweg in der Ebene über Longmont. Geht am Ende einigermaßen. Am Bear Lake war ich schon oft (vielleicht kann man da aber nicht oft genug gewesen sein), also entscheide ich mich für die Südostseite heute. Kurz entschlossen ist das Ziel dann nicht die Longs Peak Ranger Station, sondern die Wild Basin Ranger Station. Die letzten zweieinhalb Meilen Schotterpiste, und um 7 Uhr Ankunft. Der Parkplatz ist schon halb voll.

Hier kann man angeblich Bären, Berglöwen, Bighornschafe und Elche sehen können. Also dann, auf gehts. Der Trailhead liegt auf 8566 Fuß über NN. Erstes Ziel, die Copeland Falls. Enttäuschend für Rocky Mountain Nationalpark - Verhältnisse. Also weiter. Nach 1,8 Meilen und 700 Höhenfuß höher die Calypso Cascades. Naja. Aber ich war überrascht, so schnell am Ziel angekommen zu sein! Schon nach 45 Minuten! So schnell war ich noch nie. Ich entscheide mich, weiter aufzusteigen. Nächstes Ziel: Ouzel Falls. Weitere 0,9 Meilen und 250 Höhenfuß.

Die Temperaturen sehr angenehm. Es ist sehr ruhig und angenehm. Nur die Geräusche des Waldes und des North St. Vrain Creeks, dem ich folge. Natur pur. Außer ein paar Eichhörnchen und einem Streifenhörnchen und ganz vielen Fliegen leider keine Tiere.

Dann die Ouzel Falls. Ganz schön. Reißt einen nicht vom Hocker, wenn man andere Fälle gesehen hat. Aber traumhaft die Umgebung. Und wieder fast ganz allein! Es ist halb 9. Große Pause - und ich habe schon Mittagessenhunger.

Ich entschließe mich, wenigstens noch zwei, drei Hundert Meter weiter hoch zu steigen, um zu erkunden, wie der Trail weiter verläuft. Der Ouzel Lake, nochmal 2,2 Meilen weiter, soll traumhaft schön sein habe ich gelesen. Das ist mir aber definitiv zu weit. Ich bin schon stolz, roundtrip ca. 5,6 Meilen gewandert zu sein.

Komme aber nicht weit. Nach zwei hundert Metern sehe ich von weitem meine "Überholer" Rast machen und frage mich, warum sie nicht an den Fällen angehalten haben, da ist doch viel schöner. Und kühler. Sie winken mir von weitem, und ah... da steht was. Ein Moose! Und was für eins! Wunderschön, mit dem Geweih. Da steht es, 10 Meter vor uns, und frisst gemütlich die Zweige ab. Wir stehen auf einem großen Felsen, der direkt neben dem Trail liegt. Die beiden Überholer können nicht weiter, weil das Moose den Weg blockiert. Plötzlich höre ich, wie der eine "psst" macht - von rechts kommt ein weiteres direkt auf uns zu. Wir wechseln leicht die Stellung. Ich soll rüberkommen auf die andere Seite, um einen besseren Blick zu haben.

Leider endet hier der schöne Teil der Wanderung. Ich kam nämlich nie drüben an. Ausgerutscht auf Steinchen die auf dem Felsen lagen fand ich mich plötzlich in einer Mulde zweieinhalb Meter unter dem Stein. Aua! Es scheint, als sei außer vielen blauen Flecken, kaputter Hose, Knie und Arm sowie gefühlte 10 Kilometer Muskelkater im Po nichts schlimmeres passiert zu sein. Es stellt sich heraus, dass die zwei Überholer Volontäre sind, die Proben der Bäche sammeln um sie zu analysieren. Ausgestattet mit erste Hilfe Materialien springen sie hinterher. Der eine hält Moose-Wache und der andere verbindet mich. Glück im Unglück - und vielen Dank, Mike und David!

Vom Schrecken erholt, gehts an den Rückweg. 3 Meilen. Aber bergab. Sie meinten, ich solle mich jetzt gleich an den Abstieg machen, denn in einer Stunde wäre alles so geschwollen, dass das dann kein Spaß mehr wäre. Also gut, ich gebe mich geschlagen. Das zweite Moose nur im Fallen gesehen. Davon also kein Bild. Die erste Meile ist kein Spaß, alles tut weh, danach wirds leichter und ich bin um kurz nach 11 wieder am Auto. Und daheim gehts erstmal an die Wundpflege...

Was lässt man nicht alles über sich ergehen, um ein Moose-Bild mit nach Hause zu bringen... auch wenn ich jetzt die nächste Woche humpelnd Jeppesen-Manager von der Notwendigkeit der Fortführung unseres Projekts überzeugen muss - es hat sich gelohnt, heute, das frühe Aufstehen, der Aufstieg (und der Fall...)!